Als Kolumbus Amerika entdeckte, brachte er große Reichtümer für die Königin Isabella mit. Aber die wertvollsten Schätze waren seine Karten, dank derer die Anderen das neu entdeckte Land weiter erkunden konnten.
Fraser Boa über Träume
Es ist ein gewisses Paradox, wie viel in der Weltgeschichte wir verschiedenen Arten von Dieben verdanken.
Die Sonne schien in mein Zimmer und weckte mich. Ich streckte mich genüsslich in Gedanken an einen weiteren wunderbaren Tag, der mir bevorstehen sollte. Auf zur Jagd? Ein Turnier? Stadtmusikanten, die ganz aus Bremen zu uns angereist waren? Oder ein Festessen mit Freunden? Und abends dann die kleine Adlige aus dem nahe gelegenen Schloss, die mir schon länger zu verstehen gibt, dass ihr an einem Treffen gelegen wäre? Es gäbe einiges an Auswahl – eins besser als das andere!
Ich war der einzige Sohn der Großen Königin und führte ein herrliches Leben in Erwartung der Krone. Ich hatte viele Interessen und abgesehen vom gewöhnlichen blasierten Leben bereitete ich mich auf die richtige Ausführung meiner zukünftigen Rolle vor. Alle sagten mir, ich würde ein guter König sein und der Staat unter meiner Herrschaft blühen. Wohl wahr, manchmal zeigte ich Anzeichen von Langeweile, aber sie wurden rasch von weiteren flüchtigen Affären hinweggefegt. Ich suchte im Leben immer neue Herausforderungen und bewährte mich dabei mit gutem Erfolg.
Meine Mutter liebte mich sehr, und nach dem Tode meines Vaters war ich für sie die Nummer Zwei – gleich nach der Politik. Zwar fing sie zuletzt immer häufiger davon an, dass unsere östlichen Ländereien bedroht seien und man die Bündnisse mithilfe meiner Heirat mit irgendeiner Tochter der damaligen Herrscher stärken sollte, wobei es ohnehin gut wäre, würde ich langsam etwas solider, ich aber wusste, am Ende würde ich sowieso das machen, was ich wollte. Und sogar wenn ich mich dem Willen meiner Mutter hätte beugen müssen, hätte dies keine größere Bedeutung, da es auf keinen Fall meinen Lebenswandel beeinflussen würde.
Hier könnte mein Märchen eigentlich zu Ende sein. Aber das Schicksal spielte mir einen Streich.
Alles fing damit an, dass ich einen Dichterwettbewerb zum Thema Liebe auf dem Schloss veranstaltete. Was eigentlich schrecklich langweilig war. Ich konnte die ganzen Vergleiche mit Blumen, Rosenblättern, Schmetterlingen, Beschreibungen von Herzflattern und schmachtvollen Seufzern nicht mehr hören. Es schien, alles würde wie immer enden, als ganz zum Schluss ein unscheinbarer Troubadour, noch dazu hässlich wie die Nacht, über eine Prinzessin sang, die vielleicht weder besonders schön noch reich war, um deren Gunst jedoch aus unerklärlichen Gründen jedes Jahr Hunderte von Rittern warben. Es ging dabei wohl mehr um die Aufgabe, welche die Wagehälse erwartete, und die war in der Tat außergewöhnlich. Denn diejenigen, die sich entschlossen hatten von der Möglichkeit eines Rückziehers abzusehen, mussten unter Androhung des Todes erraten, was die Prinzessin in der Nacht geträumt hatte. Man sprach deshalb von ihr als der „Träumenden Schönheit“, und das Schloss wurde „Schloss der Träume“ genannt.
„Super“, dachte ich mir, „eine Aufgabe, wie für mich gemacht. Ich bin klug, gescheit und gut aussehend, verfüge über ein ansehnliches Wissen und noch mehr Glück. Ich sollte es versuchen.“ Darüber hinaus glaubte ich nicht daran, dass diese Massen einzig aufgrund einer reizvollen Aufgabe zur Prinzessin strömten. „Dahinter muss etwas deutlich Größeres stecken“, kombinierte ich, „geheimes Wissen, versteckter Reichtum, oder es ist doch etwas Besonderes dran an dieser Prinzessin.“ Ich hatte schon oft erlebt, dass sich hinter einem vielleicht nicht allzu schönen Äußerem andere, weit prächtigere Wunder verbargen. Am schlechtesten stand es um diese Träume. Ehrlich gesagt, hatte ich keinen blassen Schimmer davon. Ich hatte in meinem Leben vielleicht eine Handvoll Träume gehabt, wobei ich sie im Allgemeinen nicht für existentiell bedeutsam hielt.
„Ich werd’ das schon schaffen“, dachte ich. „Wer, wenn nicht ich!“
Meine Mutter hatte keine speziellen Einwände, da sie mit der Aushandlung eines wichtigen Vertrages zugange war, so dass ich mich nach einem vergnüglich zugebrachten Monat auf den weiten Weg begab.
Ich fuhr nachts, da einem tagsüber die Sonne in die Augen stach. Ich bin nicht ängstlich, aber die einsame Reise durch einen großen Urwald, wo mich von überall her seltsame, glänzende Augen anstarrten und unbestimmte Geräusche an mein Ohr drangen, war keine schlechte Herausforderung. Einmal sah ich früh morgens, wie eine kleine graue Eule sich in einer Schlinge verfangen hatte, die wohl für irgendein Tier ausgelegt worden war. Ich trat heran und befreite sie, aber sie flog nicht gleich fort, wie man es hätte erwarten können, sondern stand mir weiter gegenüber und heftete ihren aufmerksamen Blick auf mich, lustig von einem Bein aufs andere tretend.
„Brauchst du noch etwas?“ lachte ich sie an und reichte ihr auf meiner Handfläche einen Krumen Brot.
Sie nahm ihn und machte Anstalten loszufliegen, als sie sich plötzlich umdrehte, mir rasch in die Augen schaute, und ich das Gefühl bekam, sie übermittle kraft ihres Blickes Worte in meinen Kopf.
„Danke dir, Ritter, für deine Hilfe“, hörte ich, „ich bin nur eine kleine Eule, aber in der Dunkelheit der Nacht hört man von vielen seltsamen Dingen auf der Welt. Falls du mal nicht wissen solltest, wie angesichts eines Problems vorzugehen ist, so denke daran, dass es auf Erden verschiedene merkwürdige Städte gibt, in denen Menschen leben, die Berufe ausüben, von deren Existenz wir keinen blassen Schimmer haben. Solltest du einmal in Schwierigkeiten geraten, so rufe mich, ich werde dir zu Hilfe eilen.“
„Komisch“, dachte ich, „ich verstehe zwar nicht, was sie meint, aber es geschieht nicht jeden Tag, dass Vögel zu Menschen sprechen.“ Ich rieb mir die Augen, aber die Eule war schon verschwunden, und ich hätte nicht sagen können, ob ich für einen Moment eingenickt war oder ob es wirklich passiert war.
Ein anderes Mal stieß ich auf meiner Reise auf eine Ameisenstraße. Ich hielt das Pferd an, um sie nicht zu zertreten, und als sie vorüber gezogen waren, wandte sich die letzte Reihe an mich:
„Danke dir, Ritter, für deine Aufmerksamkeit gegenüber kleinen Geschöpfen. Wir sind zwar weder groß noch stark, wissen jedoch, dass in vielen Angelegenheiten Geduld die größte Tugend ist. Wir geben dir einen Rat – beeile dich nicht bei der von der Prinzessin gestellten Aufgabe. Sag ihr, du bräuchtest für deren Ausführung mindestens ein Jahr Zeit. Solltest du in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, rufe uns.“
Ich dankte ihnen für den Rat und fuhr weiter.
Bis zum Schloss der Königstochter blieben mir nur noch zwei Tage des Wegs, als ich an einen breiten und reißenden Fluss kam. Ich durchschwamm ihn nicht ohne Probleme, und nach einigen Meilen des Ritts sah ich ein klägliches und hilfloses Schnabeltier, eingequetscht von einem großen Baum. Ich strengte mich mächtig an, um es zu befreien. Es war so schwach, dass ich es zurück an den Fluss tragen musste. Es tauchte, schlug mit dem Schwanz, woraufhin ein paar von ihnen angeschwommen kamen – wohl die Familie. Eines von ihnen sagte mit menschlicher Stimme:
„Danke dir, Ritter, dass du unsere Mutter gerettet hast. Wir, die Schnabeltiere, haben zwar nicht viel Verstand, aber wir sind Meister im Lösen von Rätseln, bei denen unklar ist, worum es geht. Solltest du dich einmal in solch einer Lage befinden, so rufe uns zu Hilfe.“
Ich bedankte mich und ritt weiter, da am Horizont schon das Schloss zu sehen war und bis zum Beginn des Wettkampfs wenig Zeit blieb.
Das Schloss war außergewöhnlich prachtvoll, jedoch beunruhigend unwirklich. Ich sah allerdings keinen gläsernen Berg oder etwas Ähnliches. Mir schien aber, dass die Menschen dort etwas seltsam waren, sie bewegten sich deutlich langsamer und träger als die Zugereisten, auch antworteten sie mit einer gewissen Verzögerung und erweckten den Eindruck, als wären sie zumindest teilweise abwesend.
Ich übernachtete im Gasthof „Zum buckligen Ackergaul“. Das Essen war scheußlich, das Bett hart und an der Zimmerwand hatte jemand eingeritzt: „Hattest wohl Lust auf das Märchen vom buckligen Pferdchen, du Trottel?“ Am nächsten Tag machte ich mich mit einer Horde (naja, ich habe wohl übertrieben, wir waren nicht ganz hundert) anderer Ritter auf zum Schloss.
Auf dem Hof verlas der weibliche Herold die Wettkampfregeln. Es lief darauf hinaus, dass die Reihenfolge ausgelost wurde, in der wir in der Nacht zu jeweils zehn Personen für eine halbe Stunde in das Gemach der schlafenden Prinzessin hineingehen sollten. Während dieser Zeit durften wir sie beobachten, allerdings war es weder erlaubt, mit ihr zu sprechen, noch sie zu berühren. Am nächsten Tag sollten wir in der vereinbarten Reihenfolge in den Sitzungssaal treten und je nach Entscheidung, ob wir einen Versuch unternehmen wollten, den Traum zu lesen oder nicht, entweder bleiben, um ihn zu erraten, oder in die Freiheit entlassen werden.
Den Tag verbrachte ich überraschend angenehm. Ich fand einen besseren Gasthof (dieses Mal hieß er „Zur Rosa Kappe“), spazierte durch die Stadt, wobei es sich mit den Bewohnern nicht gut plaudern ließ, und harrte auf diese Weise bis zum Abend aus.
Man führte uns in das Gemach. Die Prinzessin lag in Gewändern aus Goldbrokat auf dem Bett. Sie war bleich, aber doch schön, ihre Brust hob sich leicht und ruhig, obwohl sich von Zeit zu Zeit der Rhythmus ihres Atems änderte oder sich ihre Arme und der Kopf regten. Etwas fesselte mich an ihrem Gesicht, eine Art Traurigkeit, Resignation, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Ehrlich gesagt, dachte ich nicht einmal darüber nach, was sie gerade träumen könnte, so fasziniert war ich allein von ihrem Anblick. Ich hätte noch viel länger bleiben wollen, und so kam es, dass mir schien, als uns bedeutet wurde, die Zeit sei nun um, als wären eben erst einige kurze Minuten vergangen.
Morgens, als wir uns im Antichambre des Sitzungssaals versammelt hatten, konnte man unter den dort versammelten Rittern eine ganze Bandbreite von Verhaltensweisen beobachten – von gespielter oder auch echter Selbstsicherheit über verschiedene Stadien der Angst bis zu scheinbarer Gelassenheit, gemischt mit demonstrativ zur Schau getragener Geringschätzung derer, die bereits wussten, dass sie auf einen Versuch den Traum zu erraten verzichten würden. Ich selbst hatte zunächst dieses Problem bis zu dem Moment, als ich mich glücklicherweise an den Rat der Ameisen erinnerte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es sich dabei nur um eine bequeme Ausrede handelte, um sich des Gefühls der Scham zu entledigen, oder ob ich es wirklich für einen klugen Rat hielt, doch die Entscheidung war gefallen.
„Die von dir aufgetragene Aufgabe, Prinzessin, ist für mich in diesem Moment etwas zu schwierig. Ich werde mindestens ein Jahr brauchen, um sie auszuführen“, sprach ich, wie es die Ameisen empfohlen hatten.
Die Prinzessin nickte nur mit dem Kopf, aber schien es mir nicht so, als hätte ich den Hauch eines einladenden Lächelns auf ihren Lippen gesehen?
Ich fuhr im Zustand innerer Verwirrtheit aus dem Schloss. Einerseits war ich froh, dass es mir gelungen war, meinen Kopf zu retten, da die Aufgabe offensichtlich nicht zu bewältigen war und ich unausweichlich das Los der selbstgefälligen Charmeure hätte teilen müssen (und von ihnen gab es eine ganze Menge). Andererseits begleitete mich ein Gefühl der Scham, dass es mir – wie so vielen anderen – nicht gelungen war, die an mich gestellte Herausforderung zu meistern. Aber ich hatte einfach keine Idee, wie ich mich der Lösung dieser Aufgabe nähern sollte.
„Zum Teufel mit ihr!“ so dachte ich im ersten Moment. „Na, sie ist vielleicht ganz hübsch, aber am Ende keine vollkommene Schönheit. Ihre Eltern schienen mir ziemlich abstoßend zu sein, und außerdem, wie soll man ein Land von solch verträumten Fischen als Untertanen regieren? Das macht absolut keinen Sinn. Ich fahre nach Hause zurück. Dort warten viel interessantere Mägde auf mich. Es gibt ganz sicher auch nichts Verborgenes bei dieser Geschichte. Das sind alles geschickt gestreute Gerüchte, um die Löcher im Staatssäckel zu flicken und das Fehlen jeglicher Geheimnisse zu vertuschen. Wie viele geschlossene Truhen sind schließlich leer!“
Je mehr ich mich aber in diese Denkweise verstieg, desto stärker kehrte in meinen Gedanken das Antlitz der Prinzessin zurück und immer schwieriger wurde es mir, dieses Bild zu vertreiben. Wütend trieb ich das Pferd mit einem Peitschenhieb zu schnellerem Trab an, und als es schweißüberströmt und mit schäumenden Nüstern beinah umfiel, begriff ich, dass ich nicht nur meine Ratlosigkeit an ihm auslasse, sondern auch, dass ich den Gedanken an die Prinzessin nicht abschütteln kann.
Ich setzte mich voller Verwirrung unter einen Baum, schlug mir mit der Gerte an die Beine, schaute in den Himmel und betrachtete die Vögel.
Vögel! Was hatte die verdammte Eule gesagt? Dass es Städte gebe, in denen die Menschen Berufen nachgingen, von denen wir nicht einmal ahnten, dass es sie gibt? Also muss es auch Menschen geben, die sich mit dem Lesen von Träumen beschäftigen!
Aufgeregt sprang ich auf und jagte in die nächstgelegene Stadt. Mein Enthusiasmus kühlte ziemlich rasch ab, da sich die Leute auf meine Frage bestenfalls an die Stirn tippten, es aber auch zu Beleidigungen kam und ich aus einer Stadt einfach hinaus gejagt wurde, weil sie meinten, ich sei wohl ein Spion des Nachbarkönigreichs, der sich auf diese Weise tarnte. Nach einigen so zugebrachten Tagen hatte ich genug von allem und wollte schon nach Hause zurückkehren, als ich mich erinnerte, dass die Eule für den Fall, dass dies nötig sei, ebenfalls ihre Hilfe angeboten hatte. Ich wartete bis zur Nacht und rief sie. Nach einem längeren Augenblick erschien sie, wobei ich meinen Kopf nicht dafür hinhalten würde, dass es dieselbe war. Lustig drehte sie das Köpfchen, als ich ihr wie ein Verrückter meine Probleme anvertraute, woraufhin wieder das gleiche geschah – ich hörte sie in meinem Kopf:
„Hinter dem siebten Berg, hinter dem siebten Fluss, in dem Land, wo das ganze Jahr hindurch Winter herrscht, findest du die Stadt der Traumdiebe. Von ihnen wirst du alles lernen, was du brauchst.“
„Was sie wusste, kam in einem Wort – dann war sie umso schneller fort“, dachte ich wütend, ein Fragment eines Kinderreims zitierend.
Ich saß bis zum Morgen unter dem Baum, und es warf mich mal auf die eine, mal auf die andere Seite. Vom Gedanken, dass sprechende Eulen, träumende Schönheiten und Traumdiebe kompletter Unsinn sind, über reale Ängste vor dem weiten Weg in völlig mir unbekannte Regionen der Welt, bis zu einem eher unpräzisen Gefühl, dass gerade etwas Großes in meinem Leben beginnt.
Schließlich stand ich auf, winkte kurz und fuhr gen Norden.
Ich werde nicht erzählen, wie furchtbar lang und beschwerlich diese Reise war, um euch nicht als Prahlhans zu erscheinen. Ich sage nur so viel, dass ich nach drei Monaten Mühsal schmutzig, abgerissen und mit abgefrorenen Händen, Füßen und Gesicht endlich die Stadt der Traumdiebe erreichte.
Sie sah absolut gewöhnlich aus. Schwer zu sagen, ob sie groß oder klein war, auch sah ich kein einziges Schloss. Aber ich sah wohl ohnehin nicht so viel, vollkommen durchfroren und unmenschlich müde, wie ich war.
„Der junge Herr will sich wohl in die Lehre der Traumdiebe begeben“, sprach mich ein schnurrbärtiger Gastwirt an, der mir das lang ersehnte warme Essen brachte.
„Uhmmm“, schlürfte ich höflich als Antwort zurück, wobei ich mir beinah die Lippen an der Suppe verbrannte.
„Sie brauchen sich gar nicht so zu beeilen, junger Mann“, fuhr er fort. „Sie können sich sowieso erst in ein paar Tagen bei ihnen anmelden, und die Lehre dauert sehr lang.“
In dieser Nacht hatte ich wohl das erste Mal seit vielen Jahren einen sehr starken und deutlichen Traum. Ich träumte, dass ich in irgendeinem seltsamen, mir unbekannten Land war. Ich lief durch die kleinen Gassen der Stadt, so als ob ich etwas suchte, aber ich wusste nicht was. Dann ging ich ohne zu zögern in irgendein Gebäude, das gar nicht aussah wie ein Gotteshaus, aber ohne Zweifel eines war, und fragte den in merkwürdige Gewänder gekleideten Hausherrn, ob es dort nicht für mich irgendeine Beschäftigung gebe. Er musterte mich und sagte, ja, sie hätten einen sehr ungepflegten Garten, der schnell und sorgfältig in Ordnung gebracht werden müsse. Er führte mich in den hinteren Teil des Gebäudes und zeigte mir den wunderschönsten, entzückendsten und aufs Sorgsamste gepflegten Garten, den ich jemals hatte sehen dürfen. Ich stand mit offenem Mund da, als er anfing, Gartengeräte heranzutragen.
„Aber dieser Garten ist in einem wunderbaren Zustand gehalten! Es müssen wohl tagtäglich viele Menschen daran arbeiten. Was sollte ich schon noch hier tun?“ fragte ich mit Verwunderung.
„Hier muss noch sehr viel Arbeit getan werden“, entgegnete er, „vor allem aber musst du die miteinander verschlungenen Wurzeln von Blauregen und Pfeilwurz durchschneiden.“
Ich wachte mitten in der Nacht auf und konnte nicht wieder einschlafen.
Ich verstand nichts an diesem Traum, aber etwas in mir fühlte seine Bedeutsamkeit. Was ist das für ein Land? Wer ist dieser seltsame Mensch? Warum soll ich den gepflegtesten Garten auf Erden in Ordnung bringen? Was sind Blauregen und Pfeilwurz? Fragen ohne Antworten gab es viele.
Nach einigen Tagen begab ich mich an den Ort der Lehre. Mich empfing ein freundlicher und wohlwollender Mensch. Wir unterhielten uns einen Augenblick über verschiedene Dinge, er fragte mich, wer ich sei, woher ich komme und was ich mache. Danach fragte er plötzlich, ob ich etwas habe, womit ich für die Lehre bezahlen könne.
Ehrlich gesagt, daran hatte ich gar nicht gedacht.
„Hmm“, betrübte sich der freundliche Mensch etwas, der sich dann als Meister der Begrüßungen herausstellte. „Wir Diebe geben nicht gern etwas umsonst. Du musst dich in diesem Fall zu unserem Großmeister begeben.“
Der Großmeister der Traumdiebe sah mich aufmerksam an.
„Du bist ein Ausländer, der bei uns in die Lehre möchte und nichts hat, womit er bezahlen kann. Warum sollten wir darauf eingehen und was ist eigentlich der Grund dafür, dass du hier bleiben möchtest?“ fragte er.
„Was soll’s, eigentlich hatte ich die Idee, hierher zu fahren, um bei euch zu lernen, wie man den Traum der Träumenden Schönheit aus dem Schloss der Träume erraten kann, aber“, und hier zitterte mir die Stimme, „jetzt habe ich schon gar keine Ahnung mehr, wozu ich eigentlich hergekommen bin.“
Ich hatte weitere Fragen erwartet (jetzt weiß ich natürlich schon, warum es sie nicht gab – er hatte ganz klar in meinen Träumen gelesen!), aber der Meister sagte mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen nur:
„Gut, wir einigen uns auf ein Jahr. Als Gegenleistung für deinen Aufenthalt hier wirst du jeden Tag um vier Uhr früh aufstehen und das Frühstück für die Schüler und Lehrer vorbereiten. Die Lehre beginnt um acht Uhr früh und dauert bis acht Uhr abends. Es gibt fünf Einweihungsstufen. Morgen beginnst du mit der ersten.“
Und so begann ich meine Lehre im Fach Traumdieb. Schüler gab es nur eine Handvoll, die Lehre war individuell. Jeder hatte seinen eigenen Betreuer in der jeweiligen Stufe. Als erstes lehrte uns der Meister der Einstellungen, dass das wichtigste unser Verhältnis zu den Träumen sei.
„Wenn ihr etwas nicht als wesentlich anseht und es nicht wirklich lieben werdet, dann wird dieses etwas niemals vor euch seine Geheimnisse offenbaren. Das gilt für alles, auch für die Träume“, sprach er.
Er erklärte uns auch, warum Träume wichtig seien, welche Rolle sie im Leben spielen, was sie zeigen und was sie uns lehren können. Es musste etwas dran sein, denn schon ab der zweiten Woche begann ich intensiv zu träumen, was – wie ich schon sagte – mir vorher nie passiert war, und die wachsende Faszination für das, was ich träumte, bewirkte, dass ich in ihnen immer mehr sah. Die Meister warnten uns jedoch, noch keine Versuche zu unternehmen, Sinn zu suchen oder auch unsere Träume zu interpretieren.
„Wartet ab“, sprachen sie. „Seid nicht wie eine Kröte, die auf dem Grund des Brunnens sitzt und denkt, der ganze Himmel sei das, was sie sieht, wenn sie nach oben blickt. Ihr müsst erst die richtigen Werkzeuge bekommen, um versuchen zu können, sie zu verstehen. Träumt fürs Erste einfach und begeistert euch für das, was zu euch kommt.“
Der Meister der Strukturen, der als Nächster die Lehre übernahm, zeigte uns, wie Träume aufgebaut sind, welches ihre grundlegenden Bausteine sind. Aber dies war nicht einfach.
„Träume sind wie eine vielschichtige Struktur“, sprach er. „Stellt euch die Wand eines Hauses vor. Derselbe Ziegelstein erfüllt in Abhängigkeit von dem Ort, an dem er sich befindet, eine jeweils andere Funktion. Ein gleich aussehendes Element eines Traumes kann abhängig davon, an welchem Ort des Traums und in Umgebung welcher anderen Elemente es auftritt, etwas anderes bedeuten. Eine gute Metapher bietet hier das Denken an Buchstaben. Ein ‚o‘ im Wort ‚Wolke‘ ist ein ganz anderes ‚o‘ als im Wort ‚Kolonne‘. Das Sehen, an welchem Ort des Mosaiks ein bestimmtes Steinchen liegt, ist die Grundlage für das Denken über Struktur.“
Das alles musste gelernt werden, aber vor allem ging es um eine Denkweise, die dazu befähigt, verschiedene, aus den gleichen Elementen in unterschiedlichen Konfigurationen zusammengesetzte Strukturen zu erkennen.
Der Meister der Bedeutungen war zwar ein stiller und ruhiger Mensch, veränderte sich aber jeden Tag, so dass er nicht wiederzuerkennen war, indem er uns verschiedene Arten zeigte, auf die man den Sinn von Träumen lesen konnte. Seine Aufgabe war es, uns beizubringen, wie die Bedeutung einzelner Elemente des Puzzles bloßzulegen war, aus denen sich der jeweilige Traum zusammensetzte.
„Das Wesentliche ist nicht die Interpretation“, erklärte er. „Sie führt uns in die Irre, da sie annimmt, dass alle Menschen gleich seien, während für jeden Menschen die Bedeutung eines bestimmten Elements eine andere ist.“
Viele Wochen musste er darauf verwenden, uns verschiedene Techniken des „Werdens“ zu einem bestimmten Traumelement zu zeigen. Er lehrte uns, Feuer, saure Milch oder ein Karpfen „zu sein“.
„Erst wenn ihr mit allen Sinnen mit der jeweiligen Figur eins werdet“, sagte er mit einem leichten Lächeln, „offenbart sie euch selbst ihr Wesen.“
Der Meister der Verbindungen befasste sich wiederum damit, wie die Bedeutungen der einzelnen Traumteile zu einem Ganzen zusammenzufügen seien.
„Die Sache ist einfach“, sprach er, „wenn unterschiedliche Figuren aus einem Traum in gewisser Weise einander ähnlich sind. Die Schwierigkeit beginnt dort, wo ihr auf unterschiedliche Elemente stoßt, die scheinbar nicht miteinander vereinbar sind. Ihr könnt sie dann so 'hindrehen’, dass sie zueinander passen, oder auch nach einem gemeinsamen Nenner suchen, der sie letzten Endes in eine Geschichte verbindet.“
Die Lehre war faszinierend, aber wenn der Unterricht um acht Uhr abends endete, war ich so müde, dass ich beinah unmittelbar schlafen ging. Selten gelang es mir nach dem Abendbrot zu bleiben, um mich mit den anderen Schülern zu unterhalten. Wenn es jedoch dazu kam, so unterhielten wir uns nicht über uns, wo wir herkommen oder wer wir sind – sondern einzig über Träume. Im Übrigen wurde nach einigen Lehrmonaten eine zusätzliche Stunde eingeführt, in der alle Schüler einer Stufe gemeinsam ihre Traumerlebnisse besprachen.
Den zweiten Teil der ersten Stufe eröffnete der Meister des Durch-die-Dinge-Sehens.
„Ihr könnt etwas ansehen“, sprach er, „und das ist keine schlechte Idee, aber besser ist ein tieferes Sehen, das Sehen, woraus dieses etwas hervorgeht, wer oder was es hervorbringt. Denkt einen Augenblick nach“, fügte er hinzu. „Wenn wir vor einer Kerze stehen und jeder von uns mithilfe seiner im entsprechenden Winkel geneigten Hand den Schatten eines Hundes an die Wand wirft, dann werden dies möglicherweise einander sehr ähnliche Hunde sein. Es wäre ein Sehen 'auf die Dinge’. Das Sehen 'durch die Dinge’ wäre ein Vordringen zur Hand und anschließend zur gesamten physischen Beschaffenheit der Person, am Ende ganz bis ans Wesen eines jeden Menschen, der den jeweiligen Hund erschafft.“
Der letzte Lehrer war der Meister der Signale und er war es, der den größten Eindruck auf mich machte. Er erinnerte etwas an einen Falken, aber vielleicht dachte ich das auch nur, weil es schien, dass nichts seiner Aufmerksamkeit entgeht.
„Ihr beendet die erste Stufe eurer Lehre“, fing er an, „und ihr wisst schon mehr oder weniger, wie man die Bedeutung von Träumen liest. Bei mir lernt ihr, dass einem eine Person ihren Traum überhaupt nicht erzählen muss, um zu wissen, wovon sie in der Nacht geträumt hat. Ebenso müsst ihr auch euren eigenen Traum gar nicht behalten, es reicht ein Augenblick der Beobachtung, um dies zu erfahren. Genau genommen ist das Lesen eines Traumes „ohne Traum“ ein Kinderspiel, wenn ihr nur lernt aufmerksam zu sehen, zu hören und zu fühlen. Beginnt mit einer sehr präzisen Bestimmung dessen, was ihr seht, wenn ein Mensch etwas tut. Schaut zum Beispiel, wie sehr sich die Menschen in ihrer Art zu gehen voneinander unterscheiden. Auf welch unterschiedliche Weise sie ihre Füße aufsetzen, die Knie beugen, wie sie ihren Oberkörper halten; sie stapfen schwer wie ein Bär oder auch zart wie ein Schmetterling. Oder wie unterschiedlich sie ihre Haare aus der Stirn zurückstreifen. Dies alles sind Signale, die es in Kombination mit vielen anderen Elementen erlauben, das zu bestimmen, was euch die Meister der Strukturen, Verbindungen und Bedeutungen beigebracht haben.“
Und dann zeigte er uns einige Beispiele seiner Meisterschaft.
„Dasselbe versucht nun mit dem zu machen, was ihr hört. Zerlegt die menschliche Sprache in ihre Bestandteile und hört, wie sehr sich zwei gleiche Sätze in ihrem Klang, ihrer Intonation, Stimmgewalt oder ihrem Artikulationsrhythmus unterscheiden – und wie verschiedene Träume hinter anderen Arten und Weisen stehen, auf die Menschen die gleichen Worte aussprechen.“
Dies war vermutlich der längste und schwierigste Teil dieser Etappe der Ausbildung, aber wir alle fühlten uns geehrt, als wir am Ende zur nächsten Stufe zugelassen wurden.
„Ihr wisst nun schon viel darüber, wie Träume zu verstehen und sogar dann zu erraten sind, wenn sie euch niemand erzählt“, fing der Meister des Erkennens an. „Nun beginnen wir mit der zweiten Stufe der Wissensaneignung – und hier werden eure Lehrer ich und der Meister der Übernahmen sein. Es ist dies die Stufe des Diebeswissens und dessen Ethik – was ist erlaubt zu klauen und was nicht, außerdem, wozu und wie dies zu machen ist. Ihr müsst wissen“, fuhr er fort, „dass der Mensch mindestens drei Arten von Träumen träumt. Uns geht es als Dieben um diejenigen Träume, die für uns irgendeinen Wert haben können, denn wozu etwas Wertloses klauen. Aus diesen drei Traumarten können wir nur eine klauen und meine Aufgabe ist es euch zu lehren, wie sie zu erkennen ist.“
Es fing an interessant zu werden. Ich verspürte ein Kribbeln in den Ohren, das – wie ich schnell begriff – mit meinen Träumen von großer Macht verbunden war.
Die erste Art von Träumen waren die, welche es keinen Sinn macht zu klauen, da sie weder Kraft noch Wert besitzen. Es sind dies Träume in Verbindung mit Wunschdenken, mit dem Denken der jeweiligen Person darüber, was sie gern hätte. Ihr Ursprung ist die Faulheit und deshalb gehen sie im Leben eines Menschen auch niemals in Erfüllung. Ein bisschen so, als ob jemand sagen würde: „Ich würde gern dies oder jenes machen, aber ich weiß sowieso, dass ich weder den Willen, die Kraft noch den Mut habe, mich ernsthaft für diese Sache zu engagieren. Ich würde es also gern annehmen, wenn jemand es an meiner Stelle tun wollte, werde aber selbst keinen Finger krümmen, um es zu erreichen.“
„Die zweite Art von Träumen“, fuhr der Meister des Erkennens an einem anderen Tag fort, „sind Träume aus dem tiefsten Wesen eines Menschen, und diese Träume dürfen unter keinen Umständen geklaut werden. Man sollte nämlich niemals einem Bären seine Bärenhaftigkeit nehmen oder einem Schnabeltier seine Schnabeltierhaftigkeit, da dies die Weltordnung verletzen würde, was nicht einmal einem Dieb zu tun gestattet ist.“
Weiter unterrichtete er uns über die versteckte Ordnung der Dinge und die Notwendigkeit, das universale Gleichgewicht der Welt aufrecht zu erhalten.
„Die Träume kommen zu uns durch ein Tor aus Horn“, sprach er, „und diese sind echt, oder durch ein Elfenbeintor – dann sind sie unecht. Uns als Diebe interessiert nur die dritte Art von Träumen – diejenigen, die echt sind, aber nicht zur Klasse der Träume gehören, die unser tatsächliches Wesen offenbaren. Hierher gehören Träume, die eine Alternativversion des Lebens der Person zeigen, eine echte, jedoch solch eine, die sich aus bestimmten Gründen niemals erfüllen wird. Diese Träume haben also Kraft, Potential und Energie, sind aber für die konkrete Person eigentlich nutzlos. So betrachtet können wir sie also ruhigen Gewissens klauen und ihre Energie für uns nutzen.“
Dies alles war ungeheuer interessant, ähnlich wie die Tatsache, dass man uns in der zweiten Stufe schon zur Nutzung der Schulbibliothek zuließ. Ich fand dort viele ungewöhnliche Bücher, was bewirkte, dass ich begann noch weniger zu schlafen als gewohnt. Insbesondere interessierten mich Beschreibungen von Praktiken der Stämme fremder Kulturen in Bezug auf ihre Träume. Ein Reisender beschrieb zum Beispiel Völker der Inseln des Ciamba-Meeres, für die Träume in solchem Maß heilig waren, dass diese gleich nach dem Aufwachen unverzüglich und buchstäblich umzusetzen waren, ohne Rücksicht darauf, was sie zum Inhalt hatten. Am interessantesten für den Reisenden war jedoch die Tatsache, dass sie, wie er schrieb, aussahen, „wie die glücklichsten Menschen, die ich je im Leben getroffen habe, und bei diesen Völkern niemals auch nur die kleinsten Anzeichen von Wahnsinn oder Aggression beobachtet worden waren.“
Der Meister der Übernahmen, mein letzter Lehrer, begann mit der Vorstellung der Konzeption von der Lebenskraft und davon, wie diese Kraft durch unsere Träume zutage tritt.
„Das Potential des Menschen ist riesig“, sprach er, „Träume zeigen uns die Orte mit der größten Energie. Wenn der Mensch imstande ist, sich an diese anzuschließen, dann schenken sie ihm ungewöhnliche Stärke und vergrößern die Ressourcen seiner Fähigkeiten. Auf einige von ihnen können wir bereits jetzt zurückgreifen, auf andere erst in einiger Zeit und wieder einige, wie euch der Meister des Erkennens gelehrt hat, bleiben für immer ungenutzt und gerade diese können wir zu unserem eigenen Nutzen sowie zur Vergrößerung unseres Potentials klauen. Beim Herangehen an ein solches Unterfangen begegnet ihr jedoch zwei ernsthaften Schwierigkeiten. Die erste ist nicht weiter schlimm und betrifft die Art, wie solche Träume zu klauen sind; die zweite ist dafür sehr viel bedeutender – sie zwingt uns die Frage zu beantworten, wie man auf sinnvolle Weise etwas in sich aufnehmen soll, was nicht zu uns gehört. Diesem Problem werden wir die meiste Zeit meines Unterrichts widmen, denn ein nicht richtig integrierter fremder Traum kann sehr ernsthafte Konsequenzen nicht nur für euch haben. Deshalb muss alles, was ihr auf dieser Stufe lernt, unter dem Mantel eines absoluten Geheimnisses bleiben.“
Und so war es auch. Natürlich kamen mir während der gesamten Lehrzeit in unterschiedlichen Augenblicken viele wichtige Fragen, doch als Antwort hörte ich gewöhnlich den gleichen Satz: „Du bist ein begabter und wissbegieriger Schüler, aber denke daran, nicht mehr in den Mund zu nehmen, als du zerkauen kannst.“
Es verging ein Jahr und die Zeit meiner Abreise näherte sich. Ich wusste, dass sich schon etwas ungeheuer Wichtiges ereignet hatte, aber vor allem hatte ich das Gefühl, dass erst das erste Kapitel eines neuen Buchs meines Lebens aufgeschlagen worden war. Meine letzte Begegnung mit dem Großmeister der Diebe hatte sehr lang gedauert. Ich wollte aus ihm noch so viel Wissen herausholen, wie irgend möglich. Als wir uns verabschiedet hatten und ich schon auf die Tür zusteuerte, fiel mir noch etwas ein.
„Meister!“, wandte ich mich an ihn. „Bei unserem ersten Treffen hast du gesagt, dass es fünf Stufen der Lehre gibt. Ich habe nur zwei durchlaufen und habe den Eindruck, dass ich zumindest alle wichtigen Fragen in Verbindung mit dieser Wissenschaft gestreift habe. Welche Fragen betreffen also die übrigen drei Stufen?“
Der Meister lächelte mir zu.
„Praktiziere fleißig das, was du gelernt hast, und komme in zwei Jahren zu mir zurück“, sprach er kurz.
Ich ging irgendwie beschwingt von ihm fort, in dem Bewusstsein, dass ich ganz sicher hierher zurückkommen würde. Ich trat den Rückweg an. Der hiesige Frühling brach gerade an, will sagen, es lag etwas weniger Schnee und die Sonne schien etwas länger. Ich ritt auf meinem Pferd und dachte darüber nach, wie sehr ich mich in diesem letzten Jahr verändert hatte. Ich wusste noch nicht, ob ich zum Schloss der Träumenden Schönheit zurückkehren würde, um ihren Traum zu lesen.
„Am Ende gibt es so viele wichtigere Dinge zu lesen auf dieser Welt!“ dachte ich. „Oder ich fahre doch, um zu prüfen, ob ihre Träume mit meinen im Innersten übereinstimmen.“
Ich weiß noch nicht, was ich mit alledem anfangen werde, ein Gedanke quält mich jedoch die ganze Zeit: Ich habe damals diese verdammten Schnabeltiere getroffen und was zum Teufel meinten sie mit diesen Rätseln?!
Translation Lina Kuhn